Schneidermeister Martin Rossmann liebt seinen Beruf. Kein Wunder, hat doch bereits sein Großvater zusammen mit Johann Sabotin in der Grazbachgasse 12 ein Herren-Mode-Geschäft geführt. Das Schneidern liegt ihm also offensichtlich im Blut. Seit den 1920er-Jahren haben sich allerdings so gut wie sämtliche Rahmenbedingungen geändert. Die heutige Mass-Schneiderei finden wir ein paar Häuserblöcke weiter in der Grazbachgasse 49 und die „Herren-Mode“ kommt vorwiegend aus Billiglohnländern. Nur Kashmir- und Vicuña-Fasern stammen noch aus ihren ursprünglichen Herkunftsländern: Pakistan, nördliches Indien und Peru.
Zwar gibt es auch Massenprodukte von der Stange aus Stoffen wie Zegna, Loro Piana oder Holland & Sherry, doch entscheidend für die Qualität ist in erster Linie das Maß. Rossmann: „Der Brustumfang ist das wichtigste Maß, aber das allein sagt noch nichts aus, denn es kommt darauf an, wie der Kunde steht. Wir schauen Kunden genau an, weil wir viele Maße benötigen, je öfter der Kunde kommt, umso mehr Erfahrung fließt ein ins Produkt.“. Und dieses ist neben den fachtypischen Serviceleistungen vorwiegend der Herrenanzug. Damit die Arbeit, also die Herstellung eines Anzugs, nach 50 bis 60 Stunden den selbstgesteckten hohen Ansprüchen genügt kommt es auch auf die verwendeten Stoffe an. „Stoffkauf ist Vertrauenssache“ meint Martin Rossmann, denn er weiß: „Es gibt gar nicht so viele hochwertige Wolle, wie es auf dem Markt Stoffe gibt.“.
Der solcherart maßgefertigte Anzug hält auch länger, bleibt länger in Form und Änderungen sind „leichter zu bewerkstelligen, er wächst leichter mit, weil der engste Punkt auf der Höhe der Taille auf der richtigen Höhe liegt“. Und gerade diesen qualitativen Gesichtspunkten aus dem Hause Rossmann ist es zu verdanken, dass ein Kunde erst nach 16 Jahren den irrtümlich zwischen Futter und Stoff eingenähten Nähring (ähnlich Fingerhut) entdeckte und zurück brachte. Die zeitliche Zuordnung war nur deshalb möglich, weil jeder Anzug von Martin Rossmann mit Namen und Datum versehen wird.
Maßanzug ist auch nicht gleich Maßanzug. Denn selbst durch die Erfahrung eines Meisters kann allein aus den Zahlen nicht erkannt werden, „ob jemand einen trainierten Rücken“ hat. Rossmann: „Es geht darum, dass wir den Kunden sehen.“. Erst dann können Stoffträume auf passgenaue Weise wahr werden.
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